Literatur zu „Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen“

Arendt, Hannah: Macht und Gewalt, Neuaufl., Frankfurt am Main Wien Zürich 2005

Bischof, Norbert: Das Rätsel Ödipus, 5. Aufl., München 2001

Bischof, Norbert: Psychologie: Ein Grundkurs für Anspruchsvolle, Stuttgart 2009

Breithaupt, Fritz: Kulturen der Empathie, Frankfurt a. M. 2009

Burkert, Walter: Mythen um Oedipus: Familienkatastrophe und Orakelsinn, in: Zimmermann, Bernhard (Hrsg.): Mythische Wiederkehr, Freiburg i. Br. Berlin Wien 2009

Eckert, Hartwig: Sprechen Sie noch oder werden Sie schon verstanden? München Basel 2010

Eckert, Hartwig: Wirtschaftsrhetorik, München Basel 2012

Götz, Engelbert: Innovationen brauchen Anführer, 2. Aufl. Stuttgart 2007

Götz, Engelbert: Der Faktor Zeit in der Kommunikation von Führungskräften oder: Warum im Unternehmen nicht immer alle in der gleichen Zeit leben. In: Eckert, H.: Wirtschaftsrhetorik. München 2012

Götz, Engelbert: FührungsIntelligenz, Saarbrücken 2013

Husserl, Edmund: Texte zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins (1893 – 1917) Hrsg.: Beret, R., Hamburg (1985)

Hüther, Gerald: Die Macht der inneren Bilder, Göttingen 2006

Kostka, Claudia / Mönch, Anette: Change Management, München Wien 2002

Kübler-Ross, E.: Interviews mit Sterbenden, Stuttgart 1971

Kupke, Christian: Der Begriff Zeit in der Psychopathologie, Berlin (2009)

Lorenz, Konrad: Das sogenannte Böse, 11. Aufl., München 1984

Myers, David G.: Psychologie, Heidelberg 2005

Schönberger, Margit: Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch? München 2004

Sciacchitano, Antonello: Unendliche Subversion, Wien 2009

Simon, Fritz B.: Gemeinsam sind wir blöd!? Heidelberg 2004

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 5. Der Mensch als Zeit-Gestalter

Vor dem Hintergrund der eben dargestellten Anpassungsprozesse entsteht für die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ein kaum kalkulierbares Risiko: Jeder Mitarbeiter gestaltet individuell seine Vergangenheit und ändert und wertet fortlaufend seine Entscheidungsbasis neu. Welche emotionale Botschaft also beim Mitarbeiter ankommt, ist für die Führungskraft, aufgrund der Unkenntnis der inneren Prozesse des Mitarbeiters nur schwer vorhersehbar.

 Anpassung der Vergangenheit

Abb. 4: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

D.h. obwohl beide vielleicht seit Jahren im gleichen Unternehmen, ja in der gleichen Abteilung arbeiten, wird sich ihr jeweils aktuelles Erfahrungswissen vollständig unterschiedlich darstellen. Die aus Sicht der Führungskraft logische Unterstellung, dass der Mitarbeiter das gleiche Bild vom Unternehmen hat wie er, stimmt damit grundsätzlich nicht und wäre eher zufällig. Die in der Gegenwart (G) schmerzhafte, abgelehnte, verneinte Veränderung entwirft eine negativ besetzte Zukunft (Z), die die potentielle Vergangenheit (V) von positiven Erinnerungen der letzten Vertriebsstrategie-Veränderungen „befreit“.

Will die Führungskraft, das Bild der Vergangenheit des Mitarbeiters seinem angleichen, reicht es nicht ein Faktum weiterzugeben. Beim Mitarbeiter müssen positive Bilder und Gefühle entstehen, damit ein Ablegen im Sinne der Führungskraft gefördert wird. Wird beim Mitarbeiter Empathie im Sinne der Führungskraft ausgelöst, wird dieses akzeptierende Verhalten gefördert und das lernen – mal versuchen – im Sinne der Führungskraft möglich.

Wie bereits formuliert, ist die einzige direkte Einflussmöglichkeit der Führungskraft auf das Verhalten der Mitarbeiter die unmittelbare Kommunikation. An dieser Stelle muss die Führungskraft ein klares Bild darstellen und im Dialog auch laufend überprüfen. Eine einfache Anweisung – ein Monolog – ist zu wenig.

Eine lesbare Führungskraft fördert die akkurate Empathie, die den eben beschriebenen negativen „subjektiv rationalen“ Entscheidungsprozess aushebelt. D.h. je klarer die beobachtbare Handlung, die verbale, vokale und nonverbale Kommunikation der Führungskraft ist, je konsistenter sie auch über einen längeren Zeitraum agiert, desto prognostizierbarer wird die Umsetzung durch die Mitarbeiter.

Doch was passiert eigentlich bei der zweiten menschlichen Variablen, der Führungskraft, die ja doch auch die gleiche negative Besetzung der Vergangenheit tragen könnte, wenn sie wie in der Situation beschrieben formulierte: „Die neue Strategie ist genial!“ Denn offensichtlich begeht ja auch sie einen „Zeitfehler“.

Die Führungssituation mit Dialog

Abb. 5: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)

Die neue Strategie ist Zukunft, niemand kennt ihre Ergebnisse in der Gegenwart. Die Aussage der Führungskraft beruht auf ihrer Arbeit mit ihrer Zeitauffassung im Projekt. Dort nutzt der Mensch „Führungskraft“ seine Erfahrungen, bringt sie in das Projektteam ein und entwirft mit den Projekt-Kollegen ein Bild der Zukunft, das durch intensives Arbeiten dazu führt, dass die Erwartungen fixiert werden und im Rahmen der Wahrnehmung Vergangenheit und Zukunft vereint werden.

Anpassung der Zukunft

Abb. 6: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

Konkret bedeutet dies für die zeitliche Struktur im Wahrnehmungsprozess der Führungskraft, dass nach dem Abschluss eines Projekts, die visionäre Führungskraft nicht vergessen darf, ihre zukunftsorientierte Sicht an die sicherheits- und vergangenheitsorientierte Wahrnehmung des Mitarbeiters durch bebilderte Narration anzupassen. Tut sie dies nicht, haben beide für sich ein klares Bild vor Augen – das von außen gesehen nur sehr unterschiedlich aussieht:

Führungskraft in der Sparkasse:

„Die neue Strategie  i s t  genial!“

Langjähriger Mitarbeiter der Führungskraft zum gleichen Thema:

„Die neue Strategie  i s t  Mist!“

Beide haben für sich in der Gegenwart recht und benennen ihre Wahrheit, aber der eine in der Vergangenheit und der andere in der Zukunft.

Werden beide Sichtweisen vereint so wird der Dissens klarer:

Dissens der Zeit in der Kommunikation

Abb. 7: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

Eine erfolgreiche Führungskommunikation muss deshalb die Bilder der Gegenwart von Führungskraft und Mitarbeiter wieder in Einklang bringen. Soll ein Veränderungsprozess schnellstmöglich erfolgreich umgesetzt werden, reicht es nicht Schilder aufzustellen und Fakten zu produzieren. Erfolgreich und schnell ist die Umsetzung dann, wenn die Mitarbeiter nicht nur das Ergebnis „Strategie“ konsumieren sollen, sondern wenn sie an der Geschichte der Entstehung des Bildes beteiligt werden. Wenn sie an der Produktion ihrer Zukunft mitwirken dürfen oder zumindest den Prozess mit durchleben dürfen und so auch ihre Zukunft zu einer antizipierten werden kann und nicht zu einer mit negativen Erwartungen und Befürchtungen belasteten entworfenen.

 Synthesemodell der Zeit

Abb. 8: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 4. Die Narration

Das Instrument mit dem Menschen ihre Zukunft aber auch ihre Vergangenheit gestalten, ist die Narration. Menschen verwandeln für sie subjektiv wichtige Ereignisse in Geschichten. Das Instrument der Gehirnakrobaten, die sich lange Zahlenketten und Gegenstandsreihen mit dem Instrument der Geschichte merken können, ist ein plastisches Beispiel für diese Wirkungsweise.

Von besonderem Interesse ist hier, dass Menschen mit diesem Instrument eben auch ihre Vergangenheit gestalten. Dies lässt sich anhand der Zeugenaussagen zum gleichen Ereignis immer wieder deutlich belegen.

Wie weit diese rückwirkende Anpassung gehen kann, belegt beispielsweise das „Stockholmer Syndrom“. Unter diesem Namen ist ein Ereignis in die Literatur eingegangen, in der nach einer brutalen Geiselnahme in einer Bank, eine Geisel mit einem der Geiselnehmer eine bleibende Freundschaft einging und die Polizei in der Beschreibung der Vorfälle durch die Geiseln sich während der Geiselnahme zum Gegner entwickelte. D.h. die Empathie der Geiseln ging soweit, dass aus den objektiven Helfern und Befreiern die subjektiven Bedroher wurden.

Unser Gehirn ermöglicht uns über diesen Weg, ein angstfreies Weiterleben. Passen wir Handlungen der Vergangenheit an, erklärt sich das Handeln heute einfacher. Die Darstellung der persönlichen Situation von getrennt lebenden langjährigen Partnern vor der Trennung, ist ein Paradebeispiel für diese Schutzmaßnahme.

Was bedeutet dies nun für den Mitarbeiter? In der oben beschriebenen Situation in der schleswig-holsteinischen Sparkasse, hatte der Mitarbeiter in den vergangenen zehn Jahren die Einführung von drei „überragenden“ Vertriebsstrategien erlebt, die alle nur ein paar Jahre überdauerten, um dann wieder von der nächsten besseren – oder gefühlt „nächstbesten“ – abgelöst zu werden. Was passiert nun in der negativ geprägten 1. und 2. Phase des Veränderungsprozess – Schock und Ablehnung – im Kopf dieses Mitarbeiters?

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 3. Die Verhaltenssteuerung

Im Rahmen des Veränderungsprozesses gibt es für den Mitarbeiter grundsätzlich zwei Varianten „mal zu versuchen“ (Phase 5) oder anders formuliert – zu lernen:

Variante 1: Aktives Lernen

Variante 2: Erkenntnis und Erwartung durch Empathie

Für die Möglichkeit der Empathie gilt: Je diffuser die vom Mitarbeiter erlebte Situation sich darstellt, umso vielfältiger sind die Interpretationen und umso geringer ist die Kontrollmöglichkeit.

Die exakteste Steuerungsmöglichkeit der Verhaltensänderung erreicht die Führungskraft durch die Formulierung eines aktiven Lernprozesses, hier besteht die Chance den gesamten Prozess inhaltlich zu definieren. Ein aktiver Lernprozess findet in einem Unternehmen allerdings niemals isoliert statt.

In der Unternehmenssituation ist die Variante 2 immer beteiligt, egal wer – die Führungskraft oder andere Kollegen des Teams – der Auslöser der Empathie ist.

Durch ihre Position innerhalb der Rollenbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, kommt die Führungskraft nicht aus der Vorbildrolle heraus. Ein Nicht-Führen ist ihr nicht möglich! Ihr Einfluss ist zwingend!

In einer solchen Konstellation wirken die Mechanismen der sozialen Ausprägung der menschlichen Persönlichkeit. Wie schon Heckhausen in seinem Motivationsmodell nahelegt, ist die soziale Komponente ein essentieller Motivationsfaktor der Menschen und ist bei gesunden Exemplaren der Spezies Homo Sapiens niemals zu vernachlässigen. Wie dicht wir Menschen in unserem sozialen Verhalten trotz aller Möglichkeiten, die der freie Wille bietet, noch am instinkthaften Herdenverhalten der Tiere sind, belegen eine Reihe von Untersuchungen.

Die Fragen sind nun, welche aktiven Möglichkeiten gibt es, Menschen auch über den empathischen Prozess zu einem bestimmten Ziel zu führen, trotz aller Unsicherheiten und wieso erklärt sich damit auch die anfänglich beschriebene Situation?

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 2. Der Veränderungsprozess

Zielt die Entscheidung der Führungskraft auf eine Verhaltensänderung der Mitarbeiter, was in der Regel der Fall ist, da nur so Ergebnisverbesserungen möglich sind, so sind die Mitarbeiter der unten dargestellten Veränderungskurve ausgesetzt.

Veränderungsprozess

Abb. 3: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kostka / A. Mönch (2002) S.11

Beginnend mit der 1. Phase des Schock, in der die wahrgenommene eigene Kompetenz fällt, steigt sie danach über das Einstiegsniveau an, da die eigene Wahrnehmung in der 2. Phase – der Ablehnung – davon ausgeht, hochkompetent gewesen zu sein. Über die 3. Phase, die rationale Einsicht, wird dann in der 4. Phase der Tiefpunkt erreicht, die emotionale Akzeptanz. Sie kann im Prozess nur durch ausprobieren und lernen – der Phase 5 – verlassen werden. In der vorletzten, der 6.  Phase, kommt es dann nach einigen Rückschlägen im Lernprozess zur Erkenntnis, die dann in die letzte Phase, die Integration, übergeht.

Die Frage ist nun, was passiert mit dem Produktionsfaktor „Mitarbeiter“, während er die Phasen des Schocks und der Ablehnung durchläuft. Was hat die Führungskraft zu bedenken, wenn er davon ausgehen muss, dass jeder seiner Mitarbeiter diesen Prozess durchlaufen wird und jeder mit einem anderen Zeithorizont.

Wie die 5. Phase zeigt, kann die Führungskraft davon ausgehen, dass ihre Mitarbeiter – wenn es den persönlichen Kompetenzrahmen des Einzelnen nicht erheblich überfordert, über einen zeitlich differenzierten Lernprozess, zum gewünschten Ergebnis gelangen werden.

Generell gilt, dass Menschen lernfähig sind und ihre internen Strukturen infolge äußerer Einflüsse verändern können. Die zentrale Schwierigkeit liegt aber darin, dass der Lernprozess aufgrund der vielen äußeren, nicht kontrollierbaren Einflüsse, ein überbestimmtes System – d.h. deutlich mehr äußere Einflüsse und Kombinationen derselben als veränderbare Variablen – darstellt und damit eine komplexe Prognose-Situation entsteht, die in der Regel nicht eindeutig gelöst werden kann. Welches System das Optimum darstellt, kann nur ausprobiert werden.

Die zentrale Aufgabe der Führungskraft ist also somit:

 „Steuere die äußeren Einflüsse!“

Und zwar so, dass die Systemabläufe ähnlich sind, so dass die entstehende Situation für alle Kollegen – Führungskräfte und Mitarbeiter – so ähnlich wie möglich ist, um zu verhindern, dass die immer offene individuelle Gewichtung der Einflüsse, nicht ins Chaos führt. Je ähnlicher die äußere Situation für die betroffenen Mitarbeiter gestaltet werden kann, desto bestimmter wird das System. Es wird nicht sicher, aber die Zahl der Freiheitsgrade nimmt ab.

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 1. Die Führungs- und Entscheidungssituation

1. Die Führungs- und Entscheidungssituation

Situation: In einer Sparkasse in Schleswig Holstein wurde das Sparkassen Finanzkonzept eingeführt, eine Vertriebsstrategie, die bei ihrer Einführung den Wandel in allen Abteilungen einer Sparkasse erfordert. In der betrachteten Situation war die beteiligte Führungskraft zusammen mit dem Trainer in der Projektgruppe, die das Sparkassen Finanzkonzept mit entwickelt hatte .D.h. diese beiden Protagonisten der folgenden Situation hatten die gleiche intensive Arbeit mit diesem Thema erfahren, hatten das gleiche intensive Naherlebnis.

Bereits wenige Tage nach dem Ende der Intensiv Workshops sollte in dieser Sparkasse das Konzept umgesetzt werden. Da es sich zunächst einmal um eine Pilotstudie handelte, wurde eine überschaubare Zahl an Beratern ausgesucht, die von der im Projekt beteiligten Führungskraft geführt wurden. Der Trainer sollte die ersten Schritte hin zu dieser neuen Strategie unterstützen.

Als Kick-off-Veranstaltung wurde ein Workshop angesetzt, in dem die Mitarbeiter umfassend informiert und in die neue Form der ganzheitlichen Beratung eingeführt werden sollten. Der Workshop beginnt mit einer Erwartungsabfrage der Teilnehmer:

Führungskraft in der Sparkasse:

 „Die neue Strategie  i s t  genial!“

 Langjähriger Mitarbeiter der Führungskraft zum gleichen Thema:

„Die neue Strategie  i s t  Mist!“

Warum waren beide zu Recht davon überzeugt, jetzt recht zu haben, die Wahrheit jetzt zu kennen – und trotzdem aneinander vorbei zu reden? Obwohl sie seit 10 Jahren im gleichen Unternehmen arbeiten und sich gut kennen?

Im Rahmen der Modell-Welt der Wirtschaftslehren wird zur Vereinfachung der Analyse und der Berechenbarkeit der Mensch als Homo oeconomicus betrachtet, der umfassend informiert ist, rationalen Erwartungen folgt und auch ansonsten austauschbar ist. In dieser Welt passiert obige Situation nicht, höchstens als außergewöhnlicher Fehler, der aber über den ausgleichenden Markt sofort wieder eliminiert wird.

Die Modell-Welt, die zum besseren Verständnis beitragen soll, greift als deskriptives Instrument, das zu einer folgerichtigen Handlung führt, nicht. Zielgerichtetes Steuern von Input-Output-Beziehungen, welches die Betriebswirtschaftslehre den Führungskräften nahelegt, greift bei komplexen Systemen, wie es die Mitarbeiter-Führungskräfte-Beziehung innerhalb eines Unternehmens darstellt, zu kurz.

Zwischenmenschliche Kommunikation bedingt immer auch gewisse Irrationalität und damit für die Planung eine „Black Box“.

Input-Output-Beziehung

Abb. 1: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)

Die Schwierigkeiten dieser von Menschen belebten „Black Box“ ist ihre Unberechenbarkeit, da es keine eindeutige Logik gibt. Werden an dieser Stelle betriebswirtschaftliche Erklärungsmodelle mit der Realität verwechselt und zum Gesetz erklärt, wird der Führungskraft eine Scheinsicherheit vermittelt, die insbesondere unerfahrene Führungskräfte im Ergebnis eher verunsichert.

Wird nun eine Projektsituation mit deutlich unterschiedlichen Informationsständen betrachtet, die zusätzlich noch durch deutlich andere Sprachwelten geprägt ist – Unternehmensalltag der Betroffenen, Projektwelt der Veränderer – darf mit einfacher Logik nicht gerechnet werden.

Eine Führungssituation kann durch unten stehendes Schaubild beschrieben werden. Die Führungskraft trifft eine Entscheidung um ein Ergebnis zu erzielen. Zwischen Führungskraft und Ergebnis steht nun ein Mitarbeiter oder eine Gruppe von Mitarbeitern – Menschen – an die die Entscheidung kommuniziert wird und die dann entsprechend ihrer Möglichkeiten für ein Ergebnis sorgen. So wird deutlich, dass es für die Führungskraft wesentlich ist, was bei den Mitarbeitern ankommt, denn sie sind die Beteiligten, die die Macht der Handlungen tragen – sie sind die Ausführenden.

 Führungssituation

Abb. 2: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)

Die Problematik der Führungskraft besteht nun darin, dass sie keinen vollständigen Überblick auf die aktuellen, sehr individuellen Einflüsse hat, die auf den Menschen-Mitarbeiter einwirken und erst recht nicht, wie sie gerade im jetzigen Zeitpunkt wirken. Allerdings wird auch klar, die einzige direkte Einflussmöglichkeit der Führungskraft ist der unmittelbare Kontakt zum Mitarbeiter.

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – Einführung

Einführung

In der aktuellen Wirtschaftsphase in der Preissteigerungen nur schwer umgesetzt werden können, ist der Unternehmensalltag geprägt von einem starken Kostenbewusstsein. Da beim aktuellen Zinsniveau auf der Finanzierungsseite nur mehr wenig Potential zur Einsparung besteht, das Lohnniveau in Deutschland im letzten Jahrzehnt bereits von Reallohnverlusten geprägt war, werden Einsparungen über die Veränderung der Prozesse, sprich über Projektarbeit im Unternehmen, angestrebt.

Projektarbeit hat aber die Konsequenz, dass sich die Beteiligten ständig mit dem Thema der Veränderung beschäftigen müssen und in einem permanenten Prozess in einer Welt von kreativen Szenarien leben. Problematisch dabei ist, dass dies nur die Projektbeteiligten tun, nicht aber die unbeteiligten Kollegen, die Projektbetroffenen. Diese Kollegen halten den normalen Arbeitsprozess am Leben und sorgen dafür, dass das Unternehmen auch noch Gewinne erzielt.

Je komplexer die Fragestellung solcher Projekte ist, desto komplexer gestaltet sich auch die Kommunikation innerhalb des Projektteams und bleibt meist den nicht beteiligten Betroffenen vollständig verborgen. Da naturgemäß nicht jede Projektarbeit von Erfolg gekrönt ist und umgesetzt wird, wäre eine Kommunikation jeder Phase der Projektarbeit ins Unternehmen auch wenig sinnvoll und würde nur zu einer Verschwendung der knappen Ressource „Arbeitszeit“ führen.

Die betriebswirtschaftliche Kalkulation der Projekte verlangt, dass die Führungskräfte ihre Mitarbeiter als betriebswirtschaftliche Organe denken und in der genutzten Sprache auch konsequent so von ihnen sprechen. Äußerungen wie „ich führe 10,5 MAK“ – Mitarbeiterkapazitäten – oder „mir sind 8,6 VBE unterstellt“ – Vollbeschäftigteneinheiten – sind typisch im aktuellen deutschen Unternehmensalltag. Mit Humankapital lässt sich prima rechnen, Humankapital braucht keine Pflege, es lässt sich einfach reduzieren und teilen. Ein Reduktion des Kollegen Grenz um 30 % lässt sich schwer denken.

Damit ist aber auch klar, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens, die nicht an solchen Projekten beteiligt sind, zwingend immer nur den Ergebnissen der Projektarbeit ausgesetzt sind, ohne die jeweilige Entwicklungsgeschichte zu kennen und häufig auch nicht den Sinn der Prozessvariation erfahren, da ja schon die Darstellung der zu verändernden Komponenten genug Zeit frisst.

Dieser wie es scheint sinnvolle, da zeitsparende Ablauf, hat Konsequenzen, die die Verständigung zwischen projekt-beteiligten Führungskräften und projekt-nicht-beteiligten Mitarbeitern erheblich erschwert und für die Umsetzung der anstehenden Veränderungsprozesse erhebliche Schlaglöcher verursacht!

Mitarbeiter, die ihre Führungskräfte auch aufgrund einer vollkommen anderen Sprachbildung nicht mehr verstehen, begreifen sehr schnell, dass das Gehirn in einer solchen Arbeitssituation aufgrund seiner Verortung im Kopf, nur den akustischen Durchfluss – linkes Ohr rein, rechtes wieder raus – behindert. Nachdenken stört nur!

Werden Mitarbeiter aber tatsächlich als Menschen, als selbständig denkende und handelnde, soziale Wesen betrachtet, ist die direkte Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Weg zum betriebswirtschaftlichen Erfolg, zum Unternehmensgewinn, der nötig ist, damit der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem Teilaspekt dieser direkten Kommunikation. Warum verstehen sich Führungskräfte und Mitarbeiter häufig nicht? Obwohl doch beide im gleichen Unternehmen beschäftigt sind, sich schon lange kennen, im gleichen Umfeld arbeiten, reden sie offensichtlich aneinander vorbei. Welchen Weg sollte eine Führungskraft gehen, damit das gewünschte Ergebnis ihrer Führungsaufgabe erreicht wird?

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen

Vorwort

Bei der folgenden Artikelserie handelt es sich um einen überarbeiteten Aufsatz des Autors – also von mir 🙂 – aus dem Buch Wirtschaftsrhetorik von H. Eckert. Der Alltag in den deutschen Unternehmen zeigt, dass das behandelte Thema häufig nicht beachtet wird, obwohl Projektarbeit und Veränderung im Produktionsprozess eine immer größere Rolle spielen.

Die meisten Projekte scheitern nicht in ihrem Entstehungsprozess, sondern in der Umsetzung. Mitarbeiter, denen nur neue Handbücher ausgehändigt werden, die neue Prozesse in Schulungen pauken sollen, setzen diese nicht um, denn sie wissen: Auch dieser neue Prozess wird nur eine Halbwertzeit von einigen Monaten haben.

Vorstände und Führungskräfte sehen in den betroffenen Mitarbeitern immer noch zu häufig nicht denkende Produktionsfaktoren und behandeln sie entsprechend. Der Monolog herrscht als Führungskommunikation vor, weil er gegenüber dem Dialog einfach viel Zeit spart, die dann aber in der Umsetzung um ein vielfaches vernichtet wird.

Werden aber aus den denkfreien Betroffenen tatsächlich kreativ Beteiligte führen Prozessvariationen in der Regel auch zu positiven Ergebnissen und die Umsetzung erfolgt zeitnah.

Dr. Engelbert Götz, San Zeno

Von grobem Unfug oder gleich verteilter Einzelziele in einem Team

Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 OWiG, alte Bezeichnung: Grober Unfug) ist nach deutschem Recht eine Handlung, die geeignet ist, den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung unmittelbar zu stören oder zu beeinträchtigen, so dass die Öffentlichkeit belästigt wird.

So die Definition des Begriffs im deutschen Recht. Ist es sinnvoll davon zu sprechen, wenn Vertriebsteams, die die Aufgabe haben einen Markt zu bearbeiten oder Projektteams, die ein Projektziel erreichen sollen, so geführt werden, dass jeder Mitarbeiter die gleichen oder zumindest gleiche Mindest-Ziele bekommt?

Die Ausgangslage

In einem Unternehmen sollen Teams einen Markt bearbeiten oder eine Projektaufgabe erfüllen. Um als Team- oder Projektleiter handlungsfähig zu werden, steht die Klärung der Situation und der Möglichkeiten an erster Stelle. Damit sind sowohl die betriebswirtschaftliche Situation, als auch die Kompetenzen der Mitarbeiter und die Personalauswahl gemeint. Erst eine umfassende Kenntnis des Status Quo erlaubt die Steuerung. Neben dem aktuellen Personal muss auch die weitere Personalauswahl und -entwicklung beachtet werden. Ein Team steht und fällt mit den beteiligten Menschen.

Die Leistungslage

Eine Gruppe von Mitarbeitern, bei der alle das Gleiche tun sollen, alle das gleiche Ziel vorgegeben bekommen, alle aber unterschiedliche Fähigkeiten haben, ist schlechter als eine Gruppe von Mitarbeitern, die ein gemeinsames Ziel hat, bei der die einzelnen Mitarbeiter mit unter-schiedlichen Fähigkeiten dazu passende, zielorientierte Aufgaben erfüllen.

Ein verlagertes Beispiel, dem männliche und inzwischen auch weibliche Führungskräfte in der Regel offen gegenüber reagieren, stellt die Fußballmannschaft dar. Bayern München erreichte mit dem aktuell weltbesten Torhüter viele Titel. Hätte Bayern München die Möglichkeit gehabt elfmal Manuel Neuer aufzustellen, wären sie wahrscheinlich schnell in der dritten Liga oder tiefer verschwunden, denn Torhüter, Verteidiger, Mittelfeldspieler und Stürmer haben sehr unterschiedliche Stärken. Spitzenleistung ist nur durch ein intelligentes System mit effizientem und passendem Personaleinsatz möglich.

Betrachtet man die Arbeit eines Vertriebsteams in einem Unternehmen, so wird dort häufig die Gleichheit aller unterstellt, obwohl neben den optischen Unterschieden auch Begriffe wie soziale Intelligenz und Empathie inzwischen auch in der Managementliteratur die Runde machen.

Ein einfaches Beispiel: Ein Team von sieben Mitarbeitern soll im Vertrieb ein Teamziel in einem regionalen Markt erreichen. Es gibt den Teamleiter, der zu einem Teil auch die Aufgabe der Kundenberatung erfüllen soll. Drei Servicemitarbeiter, die für den Service am Kunden, die Terminvereinbarung und die Sachbearbeitung verantwortlich sind. Drei Kundenberater, die die Aufgabe haben die Kunden nutzenorientiert zu beraten und die passenden Produkte abzusetzen.

Um die Leistungsfähigkeit des Teams bewerten zu können, ist es erforderlich tiefer einzusteigen. Ein Servicemitarbeiter ist, aufgrund seiner langen Historie im Unternehmen und damit einem hohen Erfahrungswissen, perfekt in der Sachbearbeitung, hat aber Schwierigkeiten aufgrund seiner Persönlichkeit Kunden auf eine Terminvereinbarung hin anzusprechen. Der zweite Servicemitarbeiter ist noch jung und kann erfolgreich telefonieren, kennt keine Telefonangst, es macht ihm Spaß. Sachbearbeitung ist für ihn langweilig und eher eine Zumutung. Der dritte Servicemitarbeiter spricht lieber mit den Menschen persönlich, telefonieren ist ihm ein Horror. Sachbearbeitung erfüllt er, weil er es kann.

Das Team der Kundenberater ist ebenfalls sehr uneinheitlich. Das Unternehmen kennt drei Produktgruppen. Während der erste sich gerne mit den Produkten der ersten Kategorie beschäftigt, ist der zweite ein großer Freund der dritten Kategorie und kann diese auch sehr effizient und nutzenorientiert an den richtigen Kunden bringen. Der dritte Mitarbeiter hat keine so richtigen Stärken, er macht alles mit durchschnittlichen Ergebnissen.

Mit diesem Team soll nun der Markt bearbeitet werden und alle Produktgruppen kunden- und ertragsorientiert verkauft werden. Der Leiter hat die Aufgabe dieses Teamziel zu erreichen.

Die Führungslage

Die zentrale Führungsaufgabe des Leiters ist die Übernahme der organisatorischen Arbeit vor Ort. D.h. er ist verantwortlich für den Einstieg in einen kommunikativen Prozess, der ein aktives selbstständiges Arbeiten des Teams erlaubt. Hat er freie Hand in der Organisation, wird er die Stärken seines Teams nutzen und die Mitarbeiter entsprechend einsetzen.

Diese Vorgehensweise ist sinnvoll und seit nun fast zweihundert Jahren in der Volkswirtschaftslehre bekannt. Es lässt sich sogar berechnen. Der komparative Kostenvorteil, den David Ricardo für den Außenhandel bereits 1817 formuliert und berechnet hat, ist nichts anderes als die Optimierung der Handlungen bei Mitarbeitern in einem Team im Sinne ihrer Stärken, weil sie schlicht zum wirtschaftlich besten Ergebnis führt.

Ricardo hat für zwei Volkswirtschaften nachgewiesen, dass sich Spezialisierung bezahlt macht. Überträgt man sein Gesetz des komparativen Kostenvorteils auf ein Team, so lautet es wie folgt:

Unabhängig davon, ob einer von zwei Mitarbeitern in allen Arbeitsprozessen leistungsfähiger ist als der andere, ist die Zusammenarbeit lohnend, wenn jeder sich auf die Prozesse spezialisiert, bei denen er einen komparativen Vorteil, die größte relative Leistungsfähigkeit, besitzt. Die Arbeitsproduktivität steigt bei beiden an.

Ein nicht optimal durchdachtes System von Arbeitsplatzbeschreibungen oder Rotationsvorschriften nutzt keineswegs. Es senkt die Produktivität, da es Arbeitszeit verteuert und die Produktivität des Teams verringert. Solche universellen Arbeitsplätze schalten die Leistungsfähigkeit aus, die dem optimalen System von Spezialisierungen und Arbeitsteilung innewohnt.

Die Störungslage

Aus der für die Operationalisierung verantwortlichen Ebene kommt nun eine Einzelziel- vorgabe, die die optimale Organisation im Team erheblich stört. Eine Arbeit mit den Stärken, die Synergien möglich macht, wird verhindert.

Im Beispiel erfolgt folgende Vorgabe: Aus dem Serviceteam sollen pro Tag zwölf Termine vereinbart werden. Es werden Einzelziele vorgegeben: Jeder Mitarbeiter hat pro Tag vier Termine zu vereinbaren. Das Vertriebsziel für alle Produkte wird auf alle Betreuer zu je einem Drittel verteilt.

Eine Betrachtung der Potentiale macht die Störung deutlich: Mitarbeiter 1 könnte sechs bis zehn Termine vereinbaren, Mitarbeiter 2 hat das Potential für null bis zwei Termine pro Tag, Mitarbeiter 3 kann es auf vier bis sechs Termine bringen. Das Team der Kundenbetreuer muss gleichmäßig jeweils ein Drittel liefern. Die Potentiale sprechen eine andere Sprache: Mitarbeiter 1 könnte im ersten Bereich zwei Drittel des Teamziels erreichen, Mitarbeiter 2 könnte dies in der dritten Gruppe.

Die Ergebnislage

Der Teamleiter hat keinen Handlungsspielraum. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Mitarbeiter in ihren Schwächen zu unterstützen. Die Stärken muss er vernachlässigen. Das Ergebnis ist leicht prognostizierbar. Das Serviceteam wird es auf nicht mehr als acht bis zehn Termine pro Tag bringen, das Betreuerteam wird das Teamziel zu 80 – 90 % erreichen. Die Motivation des Teams ist entsprechend gedämpft.

Erfolgreiches Arbeiten erfordert das Arbeiten mit den Stärken der Mitarbeiter. Der Richtige für die richtige Aufgabe ist die Devise. Eine ständige Arbeit mit und an den Schwächen führt zur Frustration und Demotivation. Schlechte Leistungen des Mitarbeiters und des Teams sind die Folge.

In dem oben beschriebenen Team können die Potentiale nicht genutzt werden. Es werden Ressourcen verschwendet. Der Gewinn des Unternehmens und der Nutzen der Kunden könnten bei gleicher Besetzung erheblich höher liegen. Die Steuerzahlungen des Unternehmens werden damit geringer ausfallen und belästigen somit die Öffentlichkeit. Der Tatbestand des groben Unfugs ist somit erfüllt.

Der Vorstand, der am schlechtesten informierte Unternehmensteil

Fritz B. Simon schreibt in seinem Buch Gemeinsam sind wir blöd: Eine Führungskraft an der Spitze oder in diesem Bild: am Ende der Hierarchie – der letzte Entscheider – sollte sich darüber klar sein, das er der wahrscheinlich am schlechtesten informierte Mitarbeiter der Organisationslinie ist. Er ist der letzte Empfänger der Flüsterpost.

Die Mitarbeiter in einem Unternehmen neigen dazu, ihre Vorgesetzten gefiltert zu informieren, da sie die Reaktion in vorauseilendem Gehorsam antizipieren und entsprechend agieren. Schon deshalb forderte Konfuzius‚ den Minister zu entlassen, der nicht widerspricht‘.

Die menschliche Lähmschicht …

Die zweite Führungsebene unterhalb der obersten Führungsebene hat in der Literatur inzwischen den Namen ‚Lähmschicht‘ bekommen – möchte man es griffiger ausdrücken, könnte man auch den Namen Lehmschicht nehmen. Es läuft jede Menge Information in diese Schicht hinein, die Weitergabe erfolgt aber nur positiv selektiv.

Mitarbeiter auf dieser Ebene stehen in den Unternehmen in der Regel in einem starken Wettbewerb. Sie sind häufig die letzte operative Einheit und damit für die Fehler aller operativer Stufen darunter verantwortlich. Die Strategen darüber können keine Fehler machen, da sie ja nicht operativ tätig sind. Wer aber die falsche oder nur unvollständige Information erhält, kann nur zufällig die strategisch richtigen Entscheidungen treffen.

Die in der ‚Lähmschicht‘ angekommenen Mitarbeiter sind im Allgemeinen hoch leistungsmotiviert und haben auch ein gesundes Maß an persönlichen Machtmotiven. Das heißt hier treffen erfolgsverwöhnte Kollegen aufeinander, die sich gefühlt tagtäglich um die knappen Positionen im Vorstand bewerben. Schlechte Nachrichten an die direkten Vorgesetzten zu geben – die letzten Entscheider bei einer Bewerbung – ist auf Basis dieser Motivlage nachvollziehbar nicht zu empfehlen. Damit gilt als erste Regel: Bitte keine Fehler, denn die könnten zu schlechten Nachrichten führen. Haben dann alle Beteiligten gelernt, dass Fehler nur dann passieren, wenn auch eine zu vertretende Entscheidung getroffen wird, werden konsequent Entscheidungen vermieden: Keine Entscheidung, keine Fehler, keine Angst!

… ein angstbedingter Konstruktionsfehler …

Diese persönliche Angstlage zieht sich über die gesamten Hierarchieebenen und findet ihren Höhepunkt auf der letzten Stufe zum Vorstand, hier wirkt der letzte häufig stärkste Filter mächtig: Nur so viel Entscheidung wie nötig und so wenig Fehler wie möglich, das ist auch eine Entscheidung – aber oft die Schlechteste.

Wie weit dies gehen kann, zeigt die Katastrophe um den Absturz der Columbia, bei der die Empfehlungen auf der Arbeitsebene der Ingenieure klar auf eine Vermeidung des Wiedereintritts der Raumfähre in nicht repariertem Zustand in die Erdatmosphäre hinwiesen. Die Gefahr, dass die Raumfähre verglühen würde, sei schlicht zu groß. Nachdem diese Information aber innerhalb der NASA vielfach managementgerecht aufbereitet wurde, war klar, dass das Risiko einer Katastrophe – wie sie dann eintrat – gering sei.

… mit Entscheidungshemmung und strategischem Fehlergenerator

Da wir Menschen lieber gute Nachrichten bekommen und darauf dann auch eher freundlich reagieren, führt im Umkehrschluss bei den Nachrichtenübermittlern zum beschriebenen deutlichen Fehlverhalten. Naheliegend und ganz im Sinne des Konfuzius wäre es somit, nur noch die Mitarbeiter zu loben, die eher kritische Nachrichten und Informationen liefern, denn nur diese Informationen können zu einer Überprüfung einer Sachlage führen, während positive Meldungen ja zwingend zur Beibehaltung einer Strategie führen, deren Richtigkeit dann niemand mehr in Frage stellen wird.

Das vielleicht bekannteste Beispiel aus der Politik stellt die Pleite an der Schweinebucht dar. Alle Berater von Kennedy dachten in die gleiche Richtung. Einen kritischen Geist gab es nicht, dafür war die Stimmung viel zu positiv – die Informationslage daher nicht vollständig, nur positiv selektiv ausgewählt. Kritik wäre einer Nestbeschmutzung gleichgekommen. In der Nachbetrachtung wurde auch diesen Beratern klar, dass die Aktion ein ungeheurer Fehler war. In der Entscheidungssituation lag aber kein Bedarf nach weiteren Fakten vor, da der Ausgang und die Informationslage klar und eindeutig schien.

Gerade die oberste Führungsebene sollte es sich nicht einfach machen. Je ruhiger die nächste Ebene, desto kritischer ist wahrscheinlich die Lage im Unternehmen. Die Auswahl von Stellvertreterpositionen sollte daher eher von der Suche nach einem mutigen unruhigen Geist geprägt sein, als von der Wahl des sympathischsten, erfolgreichsten Entscheidungsmitträgers der letzten Zeit. Je skeptischer die rechte Hand, desto unbequemer der Entscheidungsprozess, desto ausgereifter aber auch das Ergebnis.