1. Die Führungs- und Entscheidungssituation
Situation: In einer Sparkasse in Schleswig Holstein wurde das Sparkassen Finanzkonzept eingeführt, eine Vertriebsstrategie, die bei ihrer Einführung den Wandel in allen Abteilungen einer Sparkasse erfordert. In der betrachteten Situation war die beteiligte Führungskraft zusammen mit dem Trainer in der Projektgruppe, die das Sparkassen Finanzkonzept mit entwickelt hatte .D.h. diese beiden Protagonisten der folgenden Situation hatten die gleiche intensive Arbeit mit diesem Thema erfahren, hatten das gleiche intensive Naherlebnis.
Bereits wenige Tage nach dem Ende der Intensiv Workshops sollte in dieser Sparkasse das Konzept umgesetzt werden. Da es sich zunächst einmal um eine Pilotstudie handelte, wurde eine überschaubare Zahl an Beratern ausgesucht, die von der im Projekt beteiligten Führungskraft geführt wurden. Der Trainer sollte die ersten Schritte hin zu dieser neuen Strategie unterstützen.
Als Kick-off-Veranstaltung wurde ein Workshop angesetzt, in dem die Mitarbeiter umfassend informiert und in die neue Form der ganzheitlichen Beratung eingeführt werden sollten. Der Workshop beginnt mit einer Erwartungsabfrage der Teilnehmer:
Führungskraft in der Sparkasse:
„Die neue Strategie i s t genial!“
Langjähriger Mitarbeiter der Führungskraft zum gleichen Thema:
„Die neue Strategie i s t Mist!“
Warum waren beide zu Recht davon überzeugt, jetzt recht zu haben, die Wahrheit jetzt zu kennen – und trotzdem aneinander vorbei zu reden? Obwohl sie seit 10 Jahren im gleichen Unternehmen arbeiten und sich gut kennen?
Im Rahmen der Modell-Welt der Wirtschaftslehren wird zur Vereinfachung der Analyse und der Berechenbarkeit der Mensch als Homo oeconomicus betrachtet, der umfassend informiert ist, rationalen Erwartungen folgt und auch ansonsten austauschbar ist. In dieser Welt passiert obige Situation nicht, höchstens als außergewöhnlicher Fehler, der aber über den ausgleichenden Markt sofort wieder eliminiert wird.
Die Modell-Welt, die zum besseren Verständnis beitragen soll, greift als deskriptives Instrument, das zu einer folgerichtigen Handlung führt, nicht. Zielgerichtetes Steuern von Input-Output-Beziehungen, welches die Betriebswirtschaftslehre den Führungskräften nahelegt, greift bei komplexen Systemen, wie es die Mitarbeiter-Führungskräfte-Beziehung innerhalb eines Unternehmens darstellt, zu kurz.
Zwischenmenschliche Kommunikation bedingt immer auch gewisse Irrationalität und damit für die Planung eine „Black Box“.
Input-Output-Beziehung
Abb. 1: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)
Die Schwierigkeiten dieser von Menschen belebten „Black Box“ ist ihre Unberechenbarkeit, da es keine eindeutige Logik gibt. Werden an dieser Stelle betriebswirtschaftliche Erklärungsmodelle mit der Realität verwechselt und zum Gesetz erklärt, wird der Führungskraft eine Scheinsicherheit vermittelt, die insbesondere unerfahrene Führungskräfte im Ergebnis eher verunsichert.
Wird nun eine Projektsituation mit deutlich unterschiedlichen Informationsständen betrachtet, die zusätzlich noch durch deutlich andere Sprachwelten geprägt ist – Unternehmensalltag der Betroffenen, Projektwelt der Veränderer – darf mit einfacher Logik nicht gerechnet werden.
Eine Führungssituation kann durch unten stehendes Schaubild beschrieben werden. Die Führungskraft trifft eine Entscheidung um ein Ergebnis zu erzielen. Zwischen Führungskraft und Ergebnis steht nun ein Mitarbeiter oder eine Gruppe von Mitarbeitern – Menschen – an die die Entscheidung kommuniziert wird und die dann entsprechend ihrer Möglichkeiten für ein Ergebnis sorgen. So wird deutlich, dass es für die Führungskraft wesentlich ist, was bei den Mitarbeitern ankommt, denn sie sind die Beteiligten, die die Macht der Handlungen tragen – sie sind die Ausführenden.
Führungssituation
Abb. 2: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)
Die Problematik der Führungskraft besteht nun darin, dass sie keinen vollständigen Überblick auf die aktuellen, sehr individuellen Einflüsse hat, die auf den Menschen-Mitarbeiter einwirken und erst recht nicht, wie sie gerade im jetzigen Zeitpunkt wirken. Allerdings wird auch klar, die einzige direkte Einflussmöglichkeit der Führungskraft ist der unmittelbare Kontakt zum Mitarbeiter.