Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 5. Der Mensch als Zeit-Gestalter

Vor dem Hintergrund der eben dargestellten Anpassungsprozesse entsteht für die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ein kaum kalkulierbares Risiko: Jeder Mitarbeiter gestaltet individuell seine Vergangenheit und ändert und wertet fortlaufend seine Entscheidungsbasis neu. Welche emotionale Botschaft also beim Mitarbeiter ankommt, ist für die Führungskraft, aufgrund der Unkenntnis der inneren Prozesse des Mitarbeiters nur schwer vorhersehbar.

 Anpassung der Vergangenheit

Abb. 4: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

D.h. obwohl beide vielleicht seit Jahren im gleichen Unternehmen, ja in der gleichen Abteilung arbeiten, wird sich ihr jeweils aktuelles Erfahrungswissen vollständig unterschiedlich darstellen. Die aus Sicht der Führungskraft logische Unterstellung, dass der Mitarbeiter das gleiche Bild vom Unternehmen hat wie er, stimmt damit grundsätzlich nicht und wäre eher zufällig. Die in der Gegenwart (G) schmerzhafte, abgelehnte, verneinte Veränderung entwirft eine negativ besetzte Zukunft (Z), die die potentielle Vergangenheit (V) von positiven Erinnerungen der letzten Vertriebsstrategie-Veränderungen „befreit“.

Will die Führungskraft, das Bild der Vergangenheit des Mitarbeiters seinem angleichen, reicht es nicht ein Faktum weiterzugeben. Beim Mitarbeiter müssen positive Bilder und Gefühle entstehen, damit ein Ablegen im Sinne der Führungskraft gefördert wird. Wird beim Mitarbeiter Empathie im Sinne der Führungskraft ausgelöst, wird dieses akzeptierende Verhalten gefördert und das lernen – mal versuchen – im Sinne der Führungskraft möglich.

Wie bereits formuliert, ist die einzige direkte Einflussmöglichkeit der Führungskraft auf das Verhalten der Mitarbeiter die unmittelbare Kommunikation. An dieser Stelle muss die Führungskraft ein klares Bild darstellen und im Dialog auch laufend überprüfen. Eine einfache Anweisung – ein Monolog – ist zu wenig.

Eine lesbare Führungskraft fördert die akkurate Empathie, die den eben beschriebenen negativen „subjektiv rationalen“ Entscheidungsprozess aushebelt. D.h. je klarer die beobachtbare Handlung, die verbale, vokale und nonverbale Kommunikation der Führungskraft ist, je konsistenter sie auch über einen längeren Zeitraum agiert, desto prognostizierbarer wird die Umsetzung durch die Mitarbeiter.

Doch was passiert eigentlich bei der zweiten menschlichen Variablen, der Führungskraft, die ja doch auch die gleiche negative Besetzung der Vergangenheit tragen könnte, wenn sie wie in der Situation beschrieben formulierte: „Die neue Strategie ist genial!“ Denn offensichtlich begeht ja auch sie einen „Zeitfehler“.

Die Führungssituation mit Dialog

Abb. 5: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)

Die neue Strategie ist Zukunft, niemand kennt ihre Ergebnisse in der Gegenwart. Die Aussage der Führungskraft beruht auf ihrer Arbeit mit ihrer Zeitauffassung im Projekt. Dort nutzt der Mensch „Führungskraft“ seine Erfahrungen, bringt sie in das Projektteam ein und entwirft mit den Projekt-Kollegen ein Bild der Zukunft, das durch intensives Arbeiten dazu führt, dass die Erwartungen fixiert werden und im Rahmen der Wahrnehmung Vergangenheit und Zukunft vereint werden.

Anpassung der Zukunft

Abb. 6: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

Konkret bedeutet dies für die zeitliche Struktur im Wahrnehmungsprozess der Führungskraft, dass nach dem Abschluss eines Projekts, die visionäre Führungskraft nicht vergessen darf, ihre zukunftsorientierte Sicht an die sicherheits- und vergangenheitsorientierte Wahrnehmung des Mitarbeiters durch bebilderte Narration anzupassen. Tut sie dies nicht, haben beide für sich ein klares Bild vor Augen – das von außen gesehen nur sehr unterschiedlich aussieht:

Führungskraft in der Sparkasse:

„Die neue Strategie  i s t  genial!“

Langjähriger Mitarbeiter der Führungskraft zum gleichen Thema:

„Die neue Strategie  i s t  Mist!“

Beide haben für sich in der Gegenwart recht und benennen ihre Wahrheit, aber der eine in der Vergangenheit und der andere in der Zukunft.

Werden beide Sichtweisen vereint so wird der Dissens klarer:

Dissens der Zeit in der Kommunikation

Abb. 7: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

Eine erfolgreiche Führungskommunikation muss deshalb die Bilder der Gegenwart von Führungskraft und Mitarbeiter wieder in Einklang bringen. Soll ein Veränderungsprozess schnellstmöglich erfolgreich umgesetzt werden, reicht es nicht Schilder aufzustellen und Fakten zu produzieren. Erfolgreich und schnell ist die Umsetzung dann, wenn die Mitarbeiter nicht nur das Ergebnis „Strategie“ konsumieren sollen, sondern wenn sie an der Geschichte der Entstehung des Bildes beteiligt werden. Wenn sie an der Produktion ihrer Zukunft mitwirken dürfen oder zumindest den Prozess mit durchleben dürfen und so auch ihre Zukunft zu einer antizipierten werden kann und nicht zu einer mit negativen Erwartungen und Befürchtungen belasteten entworfenen.

 Synthesemodell der Zeit

Abb. 8: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kupke (2009) S. 94

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 4. Die Narration

Das Instrument mit dem Menschen ihre Zukunft aber auch ihre Vergangenheit gestalten, ist die Narration. Menschen verwandeln für sie subjektiv wichtige Ereignisse in Geschichten. Das Instrument der Gehirnakrobaten, die sich lange Zahlenketten und Gegenstandsreihen mit dem Instrument der Geschichte merken können, ist ein plastisches Beispiel für diese Wirkungsweise.

Von besonderem Interesse ist hier, dass Menschen mit diesem Instrument eben auch ihre Vergangenheit gestalten. Dies lässt sich anhand der Zeugenaussagen zum gleichen Ereignis immer wieder deutlich belegen.

Wie weit diese rückwirkende Anpassung gehen kann, belegt beispielsweise das „Stockholmer Syndrom“. Unter diesem Namen ist ein Ereignis in die Literatur eingegangen, in der nach einer brutalen Geiselnahme in einer Bank, eine Geisel mit einem der Geiselnehmer eine bleibende Freundschaft einging und die Polizei in der Beschreibung der Vorfälle durch die Geiseln sich während der Geiselnahme zum Gegner entwickelte. D.h. die Empathie der Geiseln ging soweit, dass aus den objektiven Helfern und Befreiern die subjektiven Bedroher wurden.

Unser Gehirn ermöglicht uns über diesen Weg, ein angstfreies Weiterleben. Passen wir Handlungen der Vergangenheit an, erklärt sich das Handeln heute einfacher. Die Darstellung der persönlichen Situation von getrennt lebenden langjährigen Partnern vor der Trennung, ist ein Paradebeispiel für diese Schutzmaßnahme.

Was bedeutet dies nun für den Mitarbeiter? In der oben beschriebenen Situation in der schleswig-holsteinischen Sparkasse, hatte der Mitarbeiter in den vergangenen zehn Jahren die Einführung von drei „überragenden“ Vertriebsstrategien erlebt, die alle nur ein paar Jahre überdauerten, um dann wieder von der nächsten besseren – oder gefühlt „nächstbesten“ – abgelöst zu werden. Was passiert nun in der negativ geprägten 1. und 2. Phase des Veränderungsprozess – Schock und Ablehnung – im Kopf dieses Mitarbeiters?

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 3. Die Verhaltenssteuerung

Im Rahmen des Veränderungsprozesses gibt es für den Mitarbeiter grundsätzlich zwei Varianten „mal zu versuchen“ (Phase 5) oder anders formuliert – zu lernen:

Variante 1: Aktives Lernen

Variante 2: Erkenntnis und Erwartung durch Empathie

Für die Möglichkeit der Empathie gilt: Je diffuser die vom Mitarbeiter erlebte Situation sich darstellt, umso vielfältiger sind die Interpretationen und umso geringer ist die Kontrollmöglichkeit.

Die exakteste Steuerungsmöglichkeit der Verhaltensänderung erreicht die Führungskraft durch die Formulierung eines aktiven Lernprozesses, hier besteht die Chance den gesamten Prozess inhaltlich zu definieren. Ein aktiver Lernprozess findet in einem Unternehmen allerdings niemals isoliert statt.

In der Unternehmenssituation ist die Variante 2 immer beteiligt, egal wer – die Führungskraft oder andere Kollegen des Teams – der Auslöser der Empathie ist.

Durch ihre Position innerhalb der Rollenbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, kommt die Führungskraft nicht aus der Vorbildrolle heraus. Ein Nicht-Führen ist ihr nicht möglich! Ihr Einfluss ist zwingend!

In einer solchen Konstellation wirken die Mechanismen der sozialen Ausprägung der menschlichen Persönlichkeit. Wie schon Heckhausen in seinem Motivationsmodell nahelegt, ist die soziale Komponente ein essentieller Motivationsfaktor der Menschen und ist bei gesunden Exemplaren der Spezies Homo Sapiens niemals zu vernachlässigen. Wie dicht wir Menschen in unserem sozialen Verhalten trotz aller Möglichkeiten, die der freie Wille bietet, noch am instinkthaften Herdenverhalten der Tiere sind, belegen eine Reihe von Untersuchungen.

Die Fragen sind nun, welche aktiven Möglichkeiten gibt es, Menschen auch über den empathischen Prozess zu einem bestimmten Ziel zu führen, trotz aller Unsicherheiten und wieso erklärt sich damit auch die anfänglich beschriebene Situation?

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 2. Der Veränderungsprozess

Zielt die Entscheidung der Führungskraft auf eine Verhaltensänderung der Mitarbeiter, was in der Regel der Fall ist, da nur so Ergebnisverbesserungen möglich sind, so sind die Mitarbeiter der unten dargestellten Veränderungskurve ausgesetzt.

Veränderungsprozess

Abb. 3: Eigene Darstellung in Anlehnung an C. Kostka / A. Mönch (2002) S.11

Beginnend mit der 1. Phase des Schock, in der die wahrgenommene eigene Kompetenz fällt, steigt sie danach über das Einstiegsniveau an, da die eigene Wahrnehmung in der 2. Phase – der Ablehnung – davon ausgeht, hochkompetent gewesen zu sein. Über die 3. Phase, die rationale Einsicht, wird dann in der 4. Phase der Tiefpunkt erreicht, die emotionale Akzeptanz. Sie kann im Prozess nur durch ausprobieren und lernen – der Phase 5 – verlassen werden. In der vorletzten, der 6.  Phase, kommt es dann nach einigen Rückschlägen im Lernprozess zur Erkenntnis, die dann in die letzte Phase, die Integration, übergeht.

Die Frage ist nun, was passiert mit dem Produktionsfaktor „Mitarbeiter“, während er die Phasen des Schocks und der Ablehnung durchläuft. Was hat die Führungskraft zu bedenken, wenn er davon ausgehen muss, dass jeder seiner Mitarbeiter diesen Prozess durchlaufen wird und jeder mit einem anderen Zeithorizont.

Wie die 5. Phase zeigt, kann die Führungskraft davon ausgehen, dass ihre Mitarbeiter – wenn es den persönlichen Kompetenzrahmen des Einzelnen nicht erheblich überfordert, über einen zeitlich differenzierten Lernprozess, zum gewünschten Ergebnis gelangen werden.

Generell gilt, dass Menschen lernfähig sind und ihre internen Strukturen infolge äußerer Einflüsse verändern können. Die zentrale Schwierigkeit liegt aber darin, dass der Lernprozess aufgrund der vielen äußeren, nicht kontrollierbaren Einflüsse, ein überbestimmtes System – d.h. deutlich mehr äußere Einflüsse und Kombinationen derselben als veränderbare Variablen – darstellt und damit eine komplexe Prognose-Situation entsteht, die in der Regel nicht eindeutig gelöst werden kann. Welches System das Optimum darstellt, kann nur ausprobiert werden.

Die zentrale Aufgabe der Führungskraft ist also somit:

 „Steuere die äußeren Einflüsse!“

Und zwar so, dass die Systemabläufe ähnlich sind, so dass die entstehende Situation für alle Kollegen – Führungskräfte und Mitarbeiter – so ähnlich wie möglich ist, um zu verhindern, dass die immer offene individuelle Gewichtung der Einflüsse, nicht ins Chaos führt. Je ähnlicher die äußere Situation für die betroffenen Mitarbeiter gestaltet werden kann, desto bestimmter wird das System. Es wird nicht sicher, aber die Zahl der Freiheitsgrade nimmt ab.

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – 1. Die Führungs- und Entscheidungssituation

1. Die Führungs- und Entscheidungssituation

Situation: In einer Sparkasse in Schleswig Holstein wurde das Sparkassen Finanzkonzept eingeführt, eine Vertriebsstrategie, die bei ihrer Einführung den Wandel in allen Abteilungen einer Sparkasse erfordert. In der betrachteten Situation war die beteiligte Führungskraft zusammen mit dem Trainer in der Projektgruppe, die das Sparkassen Finanzkonzept mit entwickelt hatte .D.h. diese beiden Protagonisten der folgenden Situation hatten die gleiche intensive Arbeit mit diesem Thema erfahren, hatten das gleiche intensive Naherlebnis.

Bereits wenige Tage nach dem Ende der Intensiv Workshops sollte in dieser Sparkasse das Konzept umgesetzt werden. Da es sich zunächst einmal um eine Pilotstudie handelte, wurde eine überschaubare Zahl an Beratern ausgesucht, die von der im Projekt beteiligten Führungskraft geführt wurden. Der Trainer sollte die ersten Schritte hin zu dieser neuen Strategie unterstützen.

Als Kick-off-Veranstaltung wurde ein Workshop angesetzt, in dem die Mitarbeiter umfassend informiert und in die neue Form der ganzheitlichen Beratung eingeführt werden sollten. Der Workshop beginnt mit einer Erwartungsabfrage der Teilnehmer:

Führungskraft in der Sparkasse:

 „Die neue Strategie  i s t  genial!“

 Langjähriger Mitarbeiter der Führungskraft zum gleichen Thema:

„Die neue Strategie  i s t  Mist!“

Warum waren beide zu Recht davon überzeugt, jetzt recht zu haben, die Wahrheit jetzt zu kennen – und trotzdem aneinander vorbei zu reden? Obwohl sie seit 10 Jahren im gleichen Unternehmen arbeiten und sich gut kennen?

Im Rahmen der Modell-Welt der Wirtschaftslehren wird zur Vereinfachung der Analyse und der Berechenbarkeit der Mensch als Homo oeconomicus betrachtet, der umfassend informiert ist, rationalen Erwartungen folgt und auch ansonsten austauschbar ist. In dieser Welt passiert obige Situation nicht, höchstens als außergewöhnlicher Fehler, der aber über den ausgleichenden Markt sofort wieder eliminiert wird.

Die Modell-Welt, die zum besseren Verständnis beitragen soll, greift als deskriptives Instrument, das zu einer folgerichtigen Handlung führt, nicht. Zielgerichtetes Steuern von Input-Output-Beziehungen, welches die Betriebswirtschaftslehre den Führungskräften nahelegt, greift bei komplexen Systemen, wie es die Mitarbeiter-Führungskräfte-Beziehung innerhalb eines Unternehmens darstellt, zu kurz.

Zwischenmenschliche Kommunikation bedingt immer auch gewisse Irrationalität und damit für die Planung eine „Black Box“.

Input-Output-Beziehung

Abb. 1: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)

Die Schwierigkeiten dieser von Menschen belebten „Black Box“ ist ihre Unberechenbarkeit, da es keine eindeutige Logik gibt. Werden an dieser Stelle betriebswirtschaftliche Erklärungsmodelle mit der Realität verwechselt und zum Gesetz erklärt, wird der Führungskraft eine Scheinsicherheit vermittelt, die insbesondere unerfahrene Führungskräfte im Ergebnis eher verunsichert.

Wird nun eine Projektsituation mit deutlich unterschiedlichen Informationsständen betrachtet, die zusätzlich noch durch deutlich andere Sprachwelten geprägt ist – Unternehmensalltag der Betroffenen, Projektwelt der Veränderer – darf mit einfacher Logik nicht gerechnet werden.

Eine Führungssituation kann durch unten stehendes Schaubild beschrieben werden. Die Führungskraft trifft eine Entscheidung um ein Ergebnis zu erzielen. Zwischen Führungskraft und Ergebnis steht nun ein Mitarbeiter oder eine Gruppe von Mitarbeitern – Menschen – an die die Entscheidung kommuniziert wird und die dann entsprechend ihrer Möglichkeiten für ein Ergebnis sorgen. So wird deutlich, dass es für die Führungskraft wesentlich ist, was bei den Mitarbeitern ankommt, denn sie sind die Beteiligten, die die Macht der Handlungen tragen – sie sind die Ausführenden.

 Führungssituation

Abb. 2: Eigene Darstellung in Anlehnung an E. Götz (2012)

Die Problematik der Führungskraft besteht nun darin, dass sie keinen vollständigen Überblick auf die aktuellen, sehr individuellen Einflüsse hat, die auf den Menschen-Mitarbeiter einwirken und erst recht nicht, wie sie gerade im jetzigen Zeitpunkt wirken. Allerdings wird auch klar, die einzige direkte Einflussmöglichkeit der Führungskraft ist der unmittelbare Kontakt zum Mitarbeiter.

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen – Einführung

Einführung

In der aktuellen Wirtschaftsphase in der Preissteigerungen nur schwer umgesetzt werden können, ist der Unternehmensalltag geprägt von einem starken Kostenbewusstsein. Da beim aktuellen Zinsniveau auf der Finanzierungsseite nur mehr wenig Potential zur Einsparung besteht, das Lohnniveau in Deutschland im letzten Jahrzehnt bereits von Reallohnverlusten geprägt war, werden Einsparungen über die Veränderung der Prozesse, sprich über Projektarbeit im Unternehmen, angestrebt.

Projektarbeit hat aber die Konsequenz, dass sich die Beteiligten ständig mit dem Thema der Veränderung beschäftigen müssen und in einem permanenten Prozess in einer Welt von kreativen Szenarien leben. Problematisch dabei ist, dass dies nur die Projektbeteiligten tun, nicht aber die unbeteiligten Kollegen, die Projektbetroffenen. Diese Kollegen halten den normalen Arbeitsprozess am Leben und sorgen dafür, dass das Unternehmen auch noch Gewinne erzielt.

Je komplexer die Fragestellung solcher Projekte ist, desto komplexer gestaltet sich auch die Kommunikation innerhalb des Projektteams und bleibt meist den nicht beteiligten Betroffenen vollständig verborgen. Da naturgemäß nicht jede Projektarbeit von Erfolg gekrönt ist und umgesetzt wird, wäre eine Kommunikation jeder Phase der Projektarbeit ins Unternehmen auch wenig sinnvoll und würde nur zu einer Verschwendung der knappen Ressource „Arbeitszeit“ führen.

Die betriebswirtschaftliche Kalkulation der Projekte verlangt, dass die Führungskräfte ihre Mitarbeiter als betriebswirtschaftliche Organe denken und in der genutzten Sprache auch konsequent so von ihnen sprechen. Äußerungen wie „ich führe 10,5 MAK“ – Mitarbeiterkapazitäten – oder „mir sind 8,6 VBE unterstellt“ – Vollbeschäftigteneinheiten – sind typisch im aktuellen deutschen Unternehmensalltag. Mit Humankapital lässt sich prima rechnen, Humankapital braucht keine Pflege, es lässt sich einfach reduzieren und teilen. Ein Reduktion des Kollegen Grenz um 30 % lässt sich schwer denken.

Damit ist aber auch klar, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens, die nicht an solchen Projekten beteiligt sind, zwingend immer nur den Ergebnissen der Projektarbeit ausgesetzt sind, ohne die jeweilige Entwicklungsgeschichte zu kennen und häufig auch nicht den Sinn der Prozessvariation erfahren, da ja schon die Darstellung der zu verändernden Komponenten genug Zeit frisst.

Dieser wie es scheint sinnvolle, da zeitsparende Ablauf, hat Konsequenzen, die die Verständigung zwischen projekt-beteiligten Führungskräften und projekt-nicht-beteiligten Mitarbeitern erheblich erschwert und für die Umsetzung der anstehenden Veränderungsprozesse erhebliche Schlaglöcher verursacht!

Mitarbeiter, die ihre Führungskräfte auch aufgrund einer vollkommen anderen Sprachbildung nicht mehr verstehen, begreifen sehr schnell, dass das Gehirn in einer solchen Arbeitssituation aufgrund seiner Verortung im Kopf, nur den akustischen Durchfluss – linkes Ohr rein, rechtes wieder raus – behindert. Nachdenken stört nur!

Werden Mitarbeiter aber tatsächlich als Menschen, als selbständig denkende und handelnde, soziale Wesen betrachtet, ist die direkte Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Weg zum betriebswirtschaftlichen Erfolg, zum Unternehmensgewinn, der nötig ist, damit der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem Teilaspekt dieser direkten Kommunikation. Warum verstehen sich Führungskräfte und Mitarbeiter häufig nicht? Obwohl doch beide im gleichen Unternehmen beschäftigt sind, sich schon lange kennen, im gleichen Umfeld arbeiten, reden sie offensichtlich aneinander vorbei. Welchen Weg sollte eine Führungskraft gehen, damit das gewünschte Ergebnis ihrer Führungsaufgabe erreicht wird?

Das Zeitverständnis in der Kommunikation im Unternehmen

Vorwort

Bei der folgenden Artikelserie handelt es sich um einen überarbeiteten Aufsatz des Autors – also von mir 🙂 – aus dem Buch Wirtschaftsrhetorik von H. Eckert. Der Alltag in den deutschen Unternehmen zeigt, dass das behandelte Thema häufig nicht beachtet wird, obwohl Projektarbeit und Veränderung im Produktionsprozess eine immer größere Rolle spielen.

Die meisten Projekte scheitern nicht in ihrem Entstehungsprozess, sondern in der Umsetzung. Mitarbeiter, denen nur neue Handbücher ausgehändigt werden, die neue Prozesse in Schulungen pauken sollen, setzen diese nicht um, denn sie wissen: Auch dieser neue Prozess wird nur eine Halbwertzeit von einigen Monaten haben.

Vorstände und Führungskräfte sehen in den betroffenen Mitarbeitern immer noch zu häufig nicht denkende Produktionsfaktoren und behandeln sie entsprechend. Der Monolog herrscht als Führungskommunikation vor, weil er gegenüber dem Dialog einfach viel Zeit spart, die dann aber in der Umsetzung um ein vielfaches vernichtet wird.

Werden aber aus den denkfreien Betroffenen tatsächlich kreativ Beteiligte führen Prozessvariationen in der Regel auch zu positiven Ergebnissen und die Umsetzung erfolgt zeitnah.

Dr. Engelbert Götz, San Zeno